Revision: Angriff auf Sachverständigengutachten BGH (4 StR 348/07)
Gerichte sind – in oft verfahrensentscheidenden Bereichen – von Sachverständigen abhängig. Dies gilt in besonderer Weise für den Bereich der Psychiatrie, aber auch für den Bereich der Psychologie, wenn es um Gutachten geht, die die Glaubhaftigkeit der Bekundungen von Belastungszeugen betreffen (vgl. hierzu Sexualdelikte).
Aber auch naturwissenschaftliche Sachverständige spielen eine wesentliche Rolle. Eine wichtige Fallgruppe stellt die Beweisführung über DNA-Gutachten dar. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.09.2007, 4 StR 348/07, zeigt, dass die Revision Sachverständigen keineswegs hilflos ausgeliefert ist. Der Angeklagte ist in diesem Verfahren nach Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof in der neuen Runde vor dem Landgericht freigesprochen worden.
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. März 2007, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten der schweren Brandstiftung für schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den früheren Mitangeklagten L. hat es vom Vorwurf der Anstiftung zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen drang der Angeklagte in der Nacht zum 18. September 2004 in das Wohnhaus M. in S. ein, in dem sich vier Wohnungen befanden, von denen eine bewohnt war. Der Angeklagte führte in zwei Rucksäcken vier 5 Liter-Plastikkanister bei sich, die mit Ottokraftstoff gefüllt waren. Das Benzin verschüttete der Angeklagte im linken Flügel des Wohnhauses auf den Treppen, im Keller, in der Wohnung im ersten Stock sowie in der Dachgeschoßwohnung und setzte das Benzin sodann im Keller in Brand. Danach verließ er das Gebäude, das er durch das Feuer vollständig zerstören wollte. Das Feuer setzte die untere, hölzerne Treppe vom Keller in das Erdgeschoß in Brand und erreichte auch die Treppe zum ersten Stockwerk, die ebenfalls selbständig zu brennen begann. Die zur Tatzeit einzige Hausbewohnerin wurde durch die Rauchentwicklung wach und rief um Hilfe. Die kurz darauf eintreffende Feuerwehr konnte den Brand rasch löschen, bevor sich das Feuer auf die oberen Stockwerke ausbreitete.
Der Angeklagte wohnte und lebte zur Tatzeit ebenso wie der frühere Mitangeklagte L. in R. /Bayern. Das in Brand gesetzte Wohnhaus in S. hatte er 1995 an den früheren Mitangeklagten verkauft. Beide waren gut miteinander bekannt und hatten zuletzt im Juni 2004 das Anwesen in S. aufgesucht.
Der Angeklagte hat die Tatbegehung bestritten und behauptet, er sei zur Tatzeit nicht in S. gewesen. Wie sich der frühere Mitangeklagte L. eingelassen hat, teilt das Urteil nicht mit; vielmehr beschränkt sich das Urteil auf den Hinweis, er sei aus tatsächlichen Gründen freizusprechen gewesen.
2. Das Landgericht hält den Angeklagten der Täterschaft für überführt, weil sich am unteren Ende eines Trageriemens des einen der beiden zum Transport der Benzinkanister benutzten Rucksäcke eine vom Angeklagten stammende DNA-Spur befand. Sachverständig beraten hat sich die Schwurgerichtskammer die Überzeugung verschafft, dass diese einem zellkernhaltigen Hautpartikel entstammende DNA-Spur nur durch einen längeren oder intensiven Gebrauch entstanden sein kann; ein nur kurzer oder wenig intensiver Kontakt habe nicht zu der DNA-Spur führen können. Hierauf gestützt, hat das Landgericht die Überzeugung gewonnen, dass die DNA-Spur jedenfalls nicht bei dem Besuch der beiden Angeklagten in S. im Juni entstanden sein kann, indem er dort – was der Angeklagte in seiner Einlassung zur Erklärung der DNA-Spur nicht ausgeschlossen hatte – den Rucksack “anfasste, berührte oder hochhob” (UA 11). Andere Möglichkeiten, als die, dass der Rucksack durch den Angeklagten zur Tatzeit an den Tatort gelangt sein könnte, kämen – so das Landgericht – nicht ernsthaft in Betracht.
3. Die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie ist vielmehr lückenhaft und misst dem – wenn auch gewichtigen – Indiz der DNA-Spur eine zu große Bedeutung bei. Allerdings kann der Beschwerdeführer auf die allein erhobene Sachrüge nicht mit der Behauptung gehört werden, entgegen der Auffassung der Sachverständigen könne die DNA-Spur auch durch lediglich flüchtigen Kontakt entstanden sein (vgl. BGH NJW 1998, 3654). Die Schwurgerichtskammer hat aber nahe liegende Umstände, die eine täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten in Frage stellen können, nicht erkennbar bedacht. Sie hat nicht mit Sicherheit festzustellen vermocht, dass die DNA-Spur beim Tragen der Rucksäcke zum Tatort entstanden ist. Vielmehr folgt sie dem Sachverständigen darin, dass dies auch bereits früher passiert sein könne. Hiervon ausgehend fehlt es aber an einem sicheren Nachweis, dass es der Angeklagte gewesen ist, der die Rücksäcke mit den Benzinkanistern gefüllt und an den Tatort gebracht hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Annahme, dass der Angeklagte die Rucksäcke einem Dritten überlassen hat, der unter deren Verwendung die Tat verübt hat auch nicht lediglich “konstruiert” (UA 12). Dies gilt zumal deshalb, weil das Landgericht selbst ein Motiv des Angeklagten für die täterschaftliche Tatbegehung nicht festzustellen vermochte. Der Angeklagte konnte – anders als der frühere Mitangeklagte L. – keinen Vorteil aus der Brandlegung in dem ihm nicht mehr gehörenden Haus ziehen. Insoweit erweist es sich auch als lückenhaft und deshalb rechtsfehlerhaft, dass das Urteil keinerlei Beweiswürdigung zu dem den früheren Mitangeklagten L. betreffenden Freispruch enthält, sodass völlig unklar bleibt, welche Rolle L. im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen gespielt hat.
4. Über die Sache ist deshalb, soweit es die Beteiligung des Angeklagten anlangt, ohne Bindung an die dem Freispruch des früheren Mitangeklagten L. zugrunde liegenden Gründe (vgl. Senat, Urteil vom 18. März 2004 – 4 StR 533/03) insgesamt neu zu verhandeln und entscheiden.
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Autor: Prof. Dr. Ulrich Ziegert
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