Hinweispflicht und Revision BGH 2 StR 49/15
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zehn tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Mitangeklagte W. ein Unternehmen, das Kunden erhebliche Darlehen ohne Kreditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darlehen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte W. nicht die Absicht, Darlehen zu vergeben. Es ging ihm ausschließlich darum, im Rahmen eines Schneeballsystems die sogenannte Bearbeitungsgebühr zu vereinnahmen. Der Angeklagte M. und der Mitangeklagte N. unterstützten seine betrügerischen Machenschaften dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschungsabsicht die Kunden vertrösteten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten, und bei der Organisation von Präsentationsveranstaltungen zum Anwerben neuer Kunden mitwirkten. Im Tatzeitraum kam es mindestens zu zehn Einzelfällen der Täuschung bestimmter Kunden durch den Mitangeklagten W. . Das Landgericht hat keine unmittelbaren Mitwirkungshandlungen des Angeklagten M. hieran festgestellt. Es hat ihn aber wegen Beihilfe zum Betrug im Rahmen eines Organisationsdelikts abgeurteilt.
2. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 265 Abs. 1 StPO durch das Landgericht.
a) Dem Angeklagten war in der Anklageschrift gewerbsmäßig begangener Betrug in 142 Fällen vorgeworfen worden, wobei es in drei Fällen beim Versuch geblieben sei. Die Anklageschrift war durch den Eröffnungsbeschluss der Strafkammer unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden. In der Hauptverhandlung erfolgte eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO. Anschließend wies das Landgericht darauf hin, dass auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer einheitlichen Tat in Betracht komme. Ein Hinweis darauf, dass anstelle von Mittäterschaft auch Beihilfe in Betracht kommen kann, wurde hingegen nicht erteilt.
Dies war verfahrensfehlerhaft. Die Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die nach dem Urteil maßgebliche Zurechnungsnorm für Täterschaft oder Teilnahme (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2011 – 2 StR 590/10, BGHSt 56, 235, 237). Nach Erhebung und Zulassung einer Anklage wegen Mittäterschaft muss daher vor einer Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu der von einem anderen begangenen Haupttat auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen werden. Das ist hier nicht geschehen.
b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht dazu nicht nahe zu liegen. Es genügt, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 StR 196/85, NJW 1985, 860, 861; SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 265 Rn. 67). Bei dem weiten Rahmen der Zurechnung eines uneigentlichen Organisationsdelikts kann der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass Anträge der Verteidigung des Beschwerdeführers vor dem Landgericht auf Erhebung entlastender Beweise, durch eine Ergänzung der Einlassung zur Sache oder durch rechtliche Argumente gegen den Vorwurf einer Beihilfe zum Betrug zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätten.
Eschelbach Franke Ott Zeng Bartel
Autor: Prof. Dr. Ulrich Ziegert
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